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So kam das Buch „Im Treibsand“ Edith Moroder

Aus der Zeitschrift „Dolomiten“ vom 28.10.2021

 

„Sie ist meine Mutter, aber…“

WIEDERAUFNAHME: „ImTreibsand – Loslassen“ – Studie fürs Theater von EdithMoroder und Brigitte Knapp bei den Vereinigten Bühnen Bozen

BOZEN. Aus dem überaus aktuellen Buch „Im Treibsand“ von Edith Moroder wurde ein beeindruckendes Theaterstück, das von Brigitte Knapp zu einer ansprechenden und lebendigen Bühnenfassung ausgearbeitet und vom Regisseur Christian Mair im Auftrag der Vereinigten Bühnen Bozen auf die Bühne gebracht wurde.

In dieser Fassung mit erweitertem Titel „Im Treibsand-Loslassen“ ist das Stückwiederaufgenommen worden und spielt alle möglichen Nuancen einer an Alzheimer erkrankten Mutter in ihrer Beziehung zu ihrer Tochter und ihrer Enkelin aus. Dass dieses Theaterstück solch einprägsame Bilder erzeugt, ist nicht nur Verdienst der Buchvorlage von Edith Moroder, die ein heutemehr als aktuelles und unter den Fingern brennendes Thema aufnimmt und in einem chronologisch aufgearbeiteten Leidensweg seziert, sondern auch des Regisseurs und seiner Schauspielerinnen, die mit ihrem Können in ihren Rollen zu Protagonistinnen feiner und feinster psychologischer Verwerfungen und Enthüllungen werden.

„Sie istmeineMutter, aber sie weiß es nichtmehr“, sagt zu Beginn des eineinhalb Stunden dauernde Theaterstücks die Tochter resigniert. Patrizia Pfeifer entrollt in meisterhaft pointierter Art und Weise die Geschichte einer Mutter-Tochter Beziehung, die von der fortschreitenden Demenz derMutter geprägt ist. Die Mutter gibt Liz Marmsoler, nicht weniger differenziert in all ihrem Spiel von Licht und Schatten in den wenigen luziden und vielen verirrten Momenten ihres Daseins.

Sie gibt die Unsicherheit, Verwirrung und Desorientierung ihrer zunehmend wirrer werdenden Persönlichkeit überzeugend wieder, ohne in gewisse Stereotype von Mitleid zu verfallen.

In Moroders und Knapps Stück geht es um Demenz und auch darum, was diese Krankheit mit den Betroffenen und mit uns macht. Denn die Krankheit, und dies wissen alle, die davon direkt und indirekt betroffen sind, verändert das Leben der Familienangehörigen und, darüber hinaus“ auch die Beziehung mit Freunden und guten Bekannten. Die Erzählung beginnt in diesem Stück eigentlichmit einemärztlichen Befund, der schonungslos enthüllt, was mit der Mutter los ist: Alzheimer. Und dann setzt eine Entwicklung ein, die sich über mehr als 6 Jahre hinzieht und dem Publikum an Dramatik und Realitätsbezug wenig ausspart. Auch Laura Masten, die die Enkelin gibt, fügt sich kongenial in den fast durchgehenden Dialog zwischen Mutter und Tochter ein, teils distanziert beobachtend teils mitdenkend und mitfühlend. Für die Ausstattung und Bühneneinrichtung ist Mirjam Falkensteiner zuständig. Sie schafft dabei eine intime häusliche Atmosphäre. Am Ende wird dieMutter in ein Langzeitpflegeheim eingeliefert und es beginnt das „Loslassen“, das nicht zuletzt durch den Abbau der Requisiten auch visuell auf der Bühne vollzogen wird. Das Stück „ImTreibsand Loslassen“ fügt sich als Theaterarbeit ein in einen sehr aktuellen Diskurs über unseren Umgang mit Krankheit und mit dem Älterwerden allgemein. Ein zutiefst sozialkritisches Stück, das etwa zu thematisch ähnlich gearteten Beispielen wie Peter Turrinis Stück „Gemeinsam ist Alzheimer schön“ in eine motivische Beziehung tritt. ©

# Termine:  29. und 30.10., 20 Uhr, 31.10., 18 Uhr,

Proberaum 7. Stock, Stadttheater Bozen – Stückeinführung:

 

Von Ferruccio Delle Cave