ASAA-Tätigkeitsbericht 2020 und Vorschau für 2021
In den letzten Jahren hat die Vereinigung Alzheimer Südtirol Alto Adige an verschiedenen Fronten Initiativen ergriffen und Dienstleistungen durchgeführt, die sich bewährt haben und vom Zielpublikum – den pflegenden Angehörigen Demenzkranker und ebenso von Betreuer/innen – geschätzt werden. Deshalb soll bei entsprechenden Mitteln auch weiter durchgeführt bzw. mit Anpassungen fortgesetzt werden, was sich bewährt hat.
Das Arbeitsjahr war vor allem durch die unerwartete Herausforderung der Corona-Pandemie gekennzeichnet.
Vieles musste daher umgestellt und verschoben, vieles intensiviert werden.
So erhielten wir rund 500 Telefonate während der beiden Lockdowns im Frühjahr und im November 2020 über die Grüne Nummer der Vereinigung 800 660 561.
Da sich die Situation kaum verändert hat, werden wir diese Tätigkeit 2021 weiter ausbauen.
Der große Bedarf an Lösungen betraf vor allem Pflegesituationen zuhause und Hilfestellung bei der Handhabe von organisatorischen Schwierigkeiten, hervorgerufen durch mangelnde Plätze in den Seniorenwohnheimen, Schließungen von Strukturen und das Einfrieren von Freizeit- und Betreuungsangeboten am Nachmittag und während der Sommermonate.
Zur Veranstaltungsreihe “Bedürfnisse erkennen und lösungsorientierte Hilfestellungen geben”
Immer mehr Patienten und Patientinnen werden zu Hause betreut. Bei Demenz-Betroffenen werden rund 70% aller Angesprochenen im familiären Umfeld oder über Hilfskräfte betreut. Deshalb müssen auch Familien und Pflegekräfte entsprechend auf ihren Einsatz vorbereitet werden, damit die häusliche Pflege für beide Seiten machbar und weniger belastend erscheint.
ASAA wiederholte auf Wunsch von Betroffenen die Angebote, die schon drei Mal allgemein gut angekommen sind. ASAA und die Agentur CEDOCS haben auf Anregung von Herrn Alex Podini 2018 einen Kurs für pflegende Angehörige und ausländische Pflegekräfte ins Leben gerufen, der die sozialen Kompetenzen verstärken soll, um gegen die Isolation der Kranken und ihrer Familien anzugehen. Es geht darum, ungeübte Care-giver im Umgang mit Demenzkranken zu schulen und den ausländischen Hilfskräften einheimische Traditionen (Speisen, Spiele, Sprache) näher zu bringen, damit sie besser auf die Bedürfnisse ihrer Betreuten eingehen können. Diese in Zusammenarbeit mit der Agentur CEDOCS organisierte, im Vorjahr schon um einige Module ergänzte, umfassende Weiterbildung für einheimische und ausländische Hilfskräfte und Pflegende bleibt also eine wichtige Initiative. Anregungen und Erfahrungen des vorhergehenden Kurses sind bereits eingebaut worden, um ihn noch vielseitiger und praktischer zu gestalten.
Im Frühjahr 2021 sind 2 weitere Kurse über 60 Unterrichtsstunden vorgesehen. Einer findet in Bozen statt, der andere zum ersten Mal in Meran.
Ein weiteres, auf Wunsch von Angehörigen wiederholtes Projekt ist die Erprobung der Kunsttherapie für Patienten mit Alzheimer u.a. Demenzformen. Die erfahrene Kunsttherapeutin Rita Mentzel stellte dazu wieder ihre spezifischen Angebote zur Verfügung.
Diese Leistungen werden 2021 wieder verstärkt zum Tragen kommen.
Ebenfalls gern angenommen wird das erfolgreiche Programm des Demenz-Screenings samt psychologischer und juridischer Beratung für Patienten und Interessenten, die einem Verdacht nachgehen wollen. Es wird am ASAA-Hauptsitz angeboten und ist ein gemeinsames Projekt von AASS – (Alto Adige Scherma Südtirol) und ASAA. Es kam 2020 zu rund 30 Terminen; Tendenz steigend) mit den Psychologen dott.Michele Piccolin (Neuropsychologe und forensischer Experte) und dott.ssa Alice Pannicciari (Neuropsychologin, bildet Pflegerinnen für Altenheime aus).
Daran teilnehmen können in erster Linie unsere Mitglieder, aber auch alle anderen Interessierten.
Das Screening besteht aus jeweils zwei Treffen an zwei aufeinander folgenden Montagen. Ziel ist es, die Kranken und ihre Familienangehörigen zu begleiten. Man will sich ihnen annähern, sie auffangen, beraten und weitere Schritte gemeinsam überlegen und vorschlagen.
Dieses Screening soll eine Frühdiagnose ergänzen und vertiefen und die Familienangehörigen in den Phasen der Krankheit von Anfang bis zum Schluss beraten. Dabei werden das Verhalten und die Probleme ausgewertet und Strategien bei der Betreuung entwickelt: also eine begleitende Psychoerziehung aller Betroffenen. Wichtig sind dabei die Zusammenarbeit und die Vernetzung mit Ärzten, Strukturen und sanitären Einrichtungen.
Beim 1. Treffen werden mit den Betroffenen verschiedene Tests gemacht und Gespräche geführt, um zu verstehen, wo die Schwächen liegen (z.B. in Bezug auf Erinnerungsfähigkeit, Verlust praktischer Fähigkeiten, Nicht-Erkennen nahe stehender Personen, Sprachprobleme).
AngewandteTests:
MMSE MOCA-Test(Montreal Cognitive Assessment) bewertet leichte kognitive Verschlechterung
ebenso wie MODA (Milan Overall Dementia Assessment);
ADL und IADL bewertet die praktischen Fähigkeit im alltäglichen Leben;
SFHS (Short Form Health Survey) belichtet den Gesundheitszustand der Betroffenen. Bei diesen Tests lässt man z.B. etwas zeichnen (Uhrentest), Gegenstände zuordnen, Buchstaben oder Zahlen koordinieren, und es wird das Kurzzeitgedächtnis getestet, indem man Wörter in einer bestimmten Reihenfolge in kurzen Zeitabständen wiederholen,, von 100 jeweils 7 Zahlen abziehen lässt.u.a.
Beim 2. Treffen wird dem Betroffenen oder Angehörigen die Auswertung der Test bekanntgegeben; dann werden Beratungsgespräche geführt, gemeinsam Strategien entwickelt, helfende Ratschläge gegeben, den pflegenden Angehörigen eine Psychoschulung angeboten (z.B. wohin man sich wenden kann, um Hilfe zu bekommen, praktische Ratschläge im Alltag, depressive Phasen zu verbessern). Dieses Screening kann der erste Schritt sein; für eine genaue Diagnose sind mehrere Untersuchungen nötig. In Zusammenarbeit mit den Ärzten werden weitere Schritte besprochen, andere Untersuchungen in die Wege geleitet (z.B. Blutanalyse etc).
Für 2021 ist eine weitere Spezialisierung geplant; diese umfasst neben dem Screening ebenso eine spezifische Begleitung mit einem psychologischen Telefon-Support.
Ein weiteres erfolgreiches Angebot ist der Kinästhetik-Kurs für pflegende Angehörige in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Sanitätsbetrieb, der im Jahre 2019 erstmals im Bürgerzentrum Gries durchgeführt und 2020 erneut abgewickelt wurde.
Eine Neuauflage kommt nun auch wieder für das Jahr 2021 ins Programm, voraussichtlich erst im Herbst. Er umfasst wie im Jahre 2019 auch in diesem Jahr insgesamt sieben Treffen. Durch diesen Grundkurs sollen pflegende Familienmitglieder bei ihrer Tätigkeit gezielter auf ihre eigene Gesundheit achten lernen und pflegebedürftige Angehörige noch möglichst größere Eigenaktivität, Mobilität und Selbstständigkeit entwickeln können.
Infomaterial für die Bevölkerung – gezielte Aufklärungsveranstaltungen
ASAA plant auch in den kommenden Monaten des laufenden Jahres, also auf der Grundlage der Erfahrungen von 2020, eine Reihe von interessanten Vorträgen und Austauschrunden für betroffene Familien.
So wurden unlängst viele ursprünglich als Präsenzveranstaltungen gedachte Angebote kurzfristig als Online-Events aufbereitet und stehen nun den Interessierten kostenlos zur Verfügung. Konkret werden neben den Beratungen über die Kampagne „#Wir gemeinsam – langsam zurück in die Normalität“ mit den Psychologen Michele Piccolin und Alice Panicciari (Anmeldungen über die Grüne Nummer 800 660 561), nun erstmals Begegnungen mit den beiden diplomierten Validationslehrerinnen Anna Fink und Alexandra Kaiser, die schon jahrelange Erfahrung mit Demenzkranken haben, ins Programm genommen. Bei der Validation steht die echte, tiefe Wertschätzung des/der Erkrankten im Vordergrund, indem seine/ihre Gefühle und Gemütszustände nicht als Hirngespinste, sondern als Realität wahrgenommen und akzeptiert werden, statt sich gegen sie aufzulehnen. Wichtig ist es, ihre Gefühlslage nicht ins Lächerliche zu ziehen. Die Betroffenen mögen zwar in einer eigenen Welt leben, ihre Gefühle jedoch sind real. In der Theorie klingt Validation zwar simpel, in der Praxis sieht dies aber leider anders aus. Fällt es den Angehörigen schwer, die Emotionen der Kranken zu akzeptieren, braucht es die Unterstützung erfahrener Pflegeberater/innen. Eine professionelle Aufklärung über Demenz und wertvolle praktische Tipps zum richtigen Umgang mit Betroffenen sind für einen liebevollen Umgang unerlässlich. Die ersten Termine für diesen wertvollen Austausch wurden für Herbst geplant, dann auf dieses Jahr verschoben und bereits am 23.2.2021 und am 4.3.2021, jeweils von 18 Uhr bis 20 Uhr durchgeführt.
Ältere, kranke Menschen sollten sich besonders jetzt auf positive Themen konzentrieren können, die nicht mit den unangenehmen Ereignissen um den Virus zusammenhängen (wie die Zunahme der Ansteckungen, der Todesopfer usw.) und dabei unterstützt werden, zur alltäglichen Routine und zu den Interessen zurück zu finden, denen sie noch nachgehen können. Außerdem ist ihnen zu helfen, korrekte Verhaltensweisen zum Schutz der eigenen Gesundheit einzuhalten. Zudem ist es günstig, die Senioren zu Tätigkeiten anzuregen, die ihnen sonst immer mehr abhandenkämen, damit sie sich selbst nützlich und wichtig fühlen können. Ältere Menschen haben auch das Bedürfnis, von ihrer eigenen Auffassung vom Leben und seinem Ende zu sprechen, um dessen Ablauf aufzuarbeiten und den früheren oder vor Kurzem erlebten Verlusten eine Bedeutung zu verleihen. Angehörigen kann es Schwierigkeiten bereiten, solche Themen mit den eigenen Lieben anzugehen, aber eine offene, dialogbereite, aufgeschlossene Haltung des Zuhörens kann ihnen dabei behilflich sein. Eine Unterstützung ist hierbei unter anderem die fix etablierte „Sentemente-Gruppe“, immer mittwochs um 17 Uhr mit der Expertin Anna Gaburri (derzeit nur online). Dabei sind regelmäßige Fallbesprechungen mit praktischen Hilfestellungen verbunden, die für alle Seiten in der Betreuungsbeziehung wichtige Anregungen zur Sensibilisierung bieten.
Organisierte Events:
Zum Welt-Alzheimer-Tag wurde am 16.September im Bozner Filmclub der von der Agentur mediaart (Markus Frings) über ASAA gedrehter Film „Stufen des Vergessens“ vorgeführt, der am WAT 21.9. auch im Abendprogramm der RAI Bozen gezeigt wurde. Danach trat im Filmclub auf Einladung von ASAA die deutsche Demenzaktivistin Helga Rohra mit einem zündenden Vortrag zum selbstbestimmten Leben auch für Kranke an und begeisterte das zahlreiche Publikum. Zugleich erschien zu diesem Datum bereits der von den deutschsprachigen Demenz-Organisationen Europas DADO, denen ASAA seit 2020 angehört, herausgebrachte Sprachleitfaden Demenz, an dem auch ASAA mitgearbeitet hat. – Am 17.10. wurde in der Gärtnerei Schullian eine Ausstellung der Bilder von Margarete Kiem gezeigt, verbunden mit einer Lesung aus dem Buch „Im Treibsand“ von ASAA-Vizepräsidentin Edith Moroder. Das Theaterstück, das daraus entstanden ist und bei den VBB für den Herbst wieder eingeplant war, musste wegen der Corona-bedingten Maßnahmen mehrmals verschoben werden und wird im kommenden Herbst als Reprise gegeben. – Am 24.11. und 1.12. wurden online Vorträge von Prof. Giuseppe Iannoccari zu Demenz-Prävention und Gedächtnistraining angeboten; am 9.12. wurde mit Kunsttherapeutinnen und Verantwortlichen des Bozner Museion ein erster Austausch zur Kunsttherapie organisiert, und am 12.12. eine Tagung mit dem Cannabis Social Club über den möglichen Einsatz medizinischen Cannabis bei Demenz.
Information über Website und Medien
Für die Gestaltung der (separat für beide Landessprachen eingerichteten) ASAA-Homepage über sämtliche Anliegen, Bedürfnisse und Möglichkeiten des Supports, die an Menschen mit Demenz sowie deren Familienangehörige gerichtet ist, werden laufend Beiträge gesammelt, die in Abstimmung mit den Behörden im Lande, konkrete Aufklärung und Veranschaulichung verschiedener Themen im pflegerischen bzw. im ärztlichen Setting geben können. Aufgrund verschiedener gesetzlicher Vorgaben ist die Vereinigung ASAA verpflichtet, ihre Mitglieder und die Bevölkerung über juridische, ethische, klinische, verwaltungstechnische Prozeduren zu informieren, was über Bereitstellung hierfür notwendiger Informationen in den von den Familien immer stärker genützten neuen Medien/sozialen Netzwerken vorgenommen wird. Dazu gehören Informationen über Aktivitäten und Angebote der Vereinigung und die Reaktionen der Medien, die wie bisher regelmäßig mit eigenen Pressemitteilungen in beiden Landessprachen beliefert werden. Die Gestaltung und Betreuung der Homepage ist dem Grafikbüro Mediamacs anvertraut, wofür beachtliche Kosten anfallen.
Aktivitäten in den Selbsthilfegruppen
In der Selbsthilfe hat sich im Lauf der letzten beiden Jahre einiges getan: Zu den Selbsthilfegruppen in Bozen, Meran, Klausen und Sterzing kamen aufgrund lokaler Initiativen, die ASAA nach Kräften unterstützt, die Selbsthilfegruppen Vinschgau (Schlanders/Laas) und St. Leonhard in Passeier hinzu. Diese wurden und werden jeweils von der Zentrale aus mit Impulsreferaten vorgestellt und angeleitet. Weiterhin wichtig erscheint es, die freiwilligen Mitarbeiter/Innen vor Ort weiter zu schulen und sie in ihrer Beratertätigkeit zu perfektionieren. Dazu bieten die Koordinatorinnen der SHG Klausen Anna Fink und Alexandra Kaiser als geprüfte Validationslehrerinnen gezielte Referate an; die Zentrale sorgt ebenfalls mit Supervisionen für gezielte Weiterbildung. – Für Meran tut sich eine neue Gelegenheit auf: In der St. Anna-Klinik möchten Ärzte, Sozialassistent/innen und Angehörige eine vornehmlich italienische SHG aufbauen, die ASAA wie gewohnt mittragen wird.
Info- und Imagekampagne zur Sensibilisierung für „5 Promille“ und „Mitgliederaktion“
Dieses Vorhaben umfasst eine mehrjährige Infokampagne zur Sensibilisierung der Bevölkerung für die Bereitschaft, bei der Steuererklärung oder über eine Spende auch für die ASAA einen gewissen Beitrag zu leisten. Dazu werden – neben der gut sichtbaren Dauer-Werbung auf der ASAA-Webseite – wie gewohnt eigene Werbekarten zum Einsatz kommen, damit die ASAA-Steuernummer auch bei Patronaten, Wirtschafts- und Steuerberatern besser präsent ist und bleibt.
Grüne Nummer – Sorgentelefon
Seit dem 1. März 2017 ist die Grüne Nummer der ASAA 800 660 561 aktiv und antwortet täglich von Montag bis Freitag zwischen 9 Uhr und 19 Uhr auf Anrufe aus der Bevölkerung, die sich auf unterschiedliche Fragestellungen rund um die Demenz beziehen. Diese Dienstleistung bleibt auch im Jahr 2021 aufrecht, zusätzlich zum Sorgentelefon, das, sobald wieder möglich, wie bisher am Hauptsitz in Bozen an drei Tagen der Woche besetzt ist und von aktiven Mitgliedern betreut wird (MO-MI-FR von 17 bis 19 Uhr).
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Seitz
Präsident der Alzheimervereinigung Südtirol
Hier den Tätigkeitsbericht zum herunterladen