Von Pionieren lernen

Vor kurzem gab es in Bozen einen Gedankenaustausch zwischen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft/Landesverband Bayern und der Südtiroler Alzheimervereinigung ASAA. Dabei wurde klar, dass beide ähnliche Anliegen in Bezug auf eine angemessene Betreuung von Demenzkranken haben. In Bayern seien nach offiziellen Zahlen, so Gerhard Wagner, Geschäftsführer des Landesverbandes mit Sitz in Nürnberg, derzeit rund 180.000 Menschen als Demenzpatienten erfasst. In 20 Jahren werden es voraussichtlich 300.000 sein. Auf eine derartige Entwicklung müsse man sich früh genug einstellen.

Die Alzheimer-Gesellschaft Bayern ist vor 30 Jahren aus Selbsthilfegruppen entstanden und damit die älteste in Deutschland. Sie steht 28 regionalen Gesellschaften in den Landkreisen vor, die zum Teil professionell, zum Teil ehrenamtlich aufgestellt sind und vom Bundesverband und den Ministerien mitfinanziert werden. Da es aber immer noch viel Aufklärungsbedarf gibt, entwickeln die Gesellschaften ständig neue Strategien, um Patienten und Familien zu unterstützen. So wird verstärkt auf Beratungs- und Schulungsarbeit gesetzt, um Angehörigen und ehrenamtlichen Mitarbeitern, aber auch Pflegekräften in Krankenhäusern demenz-sensible Konzepte nahe zu bringen. Dem Pflegepersonal sollten nämlich geschulte Betreuer/innen zur Seite gestellt werden, da es um besondere Leistungen geht, die nicht einfach zusätzlich erbracht werden  können.

Die demographische Entwicklung weist in allen Industrienationen vergleichbare Tendenzen auf; laut aktueller Studien sind fünf bis acht Prozent der über 65-Jährigen von Demenz betroffen. Die Häufigkeit der Fälle nimmt im Verhältnis zum Lebensalter exponentiell zu, sodass bei den 85-Jährigen bis zu 35 Prozent der Bevölkerung erkranken. ASAA-Präsident Ulrich Seitz geht daher von jährlich etwa 1.000 Neuerkrankungen aus.

Wer dabei die anspruchsvolle Aufgabe der Pflege und Betreuung zu Hause oder im Heim übernimmt, braucht viel Kraft, Einfühlungsvermögen, Geduld und Verständnis und stößt mitunter an seine physischen und psychischen Grenzen.

Die Verantwortlichen des Landesverbandes Bayern und der Alzheimervereinigung Südtirol ASAA sind sich darüber einig, dass man Demenzkranken ein möglichst lange selbst bestimmtes Leben sichern soll, das die Würde der Betroffenen in jeder Phase ihrer Erkrankung respektiert. Ziel solle sein, Demenzkranke und deren Angehörige nicht zu isolieren und ihre Lebensqualität zu erhalten.

Die Vertreter beider Vereinigungen einigten sich bei ihrem Treffen in Bozen darauf, auch Länder-übergreifend für eine den Bedürfnissen entsprechende medizinische Versorgung, Betreuung und Pflege der Erkrankten einzutreten. Die Südtiroler Alzheimervereinigung möchte viel von den Kollegen aus Bayern lernen und auch hierzulande Angebote umsetzen, die sich dort bereits bewährt haben. So hat man über bestehende Synergien bei Urlaubspaketen für Menschen mit Demenz, bei Projekten wie Demenz im Krankenhaus, Schulungskonzepten und kulturellen Veranstaltungen diskutiert.

Eine flächendeckende Sensibilisierung sollte auch alle Gesunden daran erinnern, wie wichtig es ist, sich auf ein lange aktives Älterwerden einzustellen.

„Bei Alzheimer ist die ganze Familie betroffen“

Bozen / 10.000 Südtiroler sind derzeit an einer Demenz erkrankt, jährlich kommen 1000 Neuerkrankungen hinzu –  aufgrund der demografischen Entwicklung ist die Tendenz steigend. Und schon jetzt scheint das Gesundheitswesen überfordert – auf einen Termin für die Diagnostik wartet man ein Jahr. „Das Thema Demenz ist viel größer, als es momentan gesehen wird“, warnt Dr. Günther Donà von der Südtiroler Alzheimer Vereinigung ASAA.

Das Thema müsse in die Mitte der Gesellschaft geholt, das Stigma aufgebaut werden, findet ASAA-Vorstandsmitglied Dr. Günther Donà. „Alzheimer ist eine Krankheit wie alle anderen auch, nur dass bei dieser die gesamte Familie mitbetroffen ist“, sagte der Ex-Primar der Geriatrie im Bozner Spital. Denn die Pflege dementer Angehöriger stelle die Familie vor große Herausforderungen, „dazu brauchen sie die Hilfe der Gesellschaft“, mahnte Dr. Donà. Bislang gehe die Gesellschaft dem Problem aber lieber aus dem Weg. Immer noch würden demente Menschen eingesperrt und versteckt und die Tragweite der – insbesondere aufgrund der demografischen Entwicklung zu erwartenden – Problematik nicht erkannt