Ulrich Seitz, Präsident der Alzheimervereinigung Südtirol, schlägt Alarm: Für Menschen mit kognitiven Einschränkungen und für deren Familien ist der Alltag nach wie vor mit größten Schwierigkeiten verbunden.

Interview an Präsident Ulrich Seitz – „Südtiroler Frau“ Juliausgabe 2020

 

Sie haben während des Lockdowns persönlich am Nottelefon der Alzheimervereinigung geantwortet. Was waren die größten Sorgen der betroffenen Familien?

Ulrich Seitz: Die größten Sorgen waren die Hilflosigkeit sowie die Ungewissheit, wie es weitergehen wird. Ich hatte teilweise vor allem am Wochenende 30 Anrufe pro Tag aus dem ganzen Land. Vor allem betroffen haben mich die Schicksale von älteren Menschen, die einen kranken Partner bzw. eine demente Person daheim pflegen, und eben selbst mit erheblichen Einschränkungen leben müssen. Sehr traurig sind auch Situationen, wo Kinder oder engste Verwandte, die nicht in Südtirol leben, über Monate keinen Zugang zu ihren Eltern hatten. Was mich neben der klinischen Situation getroffen hat, sind ebenso Fälle von älteren, einsamen Menschen, die in der ersten Phase aus Verzweiflung heraus, Opfer von Neppern, Schleppern und Bauernfängern wurden. Fälle von Betrügereien also, die aus Scham kaum oder viel zu spät den zuständigen Behörden gemeldet werden. Und dann natürlich auch der Umstand, dass Menschen ihre langjährigen Bezugsmenschen in der Pflege, vor allem ausländische verloren haben, da diese schlagartig vor der Schließung der Grenzen in ihre Heimat zurückgekehrt sind.

Was belastet diese Menschen heute, also in der zweiten Phase der Pandemie?

Ulrich Seitz: Tageskliniken und Gruppenangebote fehlen, wo Angehörige die Menschen mit Demenz für kurze Zeit abgeben konnten und einen Moment Ruhe hatten, um durchzuatmen und neue Energie zu tanken. Noch einschneidender sind aber die Freiwilligen, die in spezifischen Angeboten wegfallen. Vor dem Lockdown haben Personen von einer Art Begleitdienst bzw. Vereinen den Partner/die Partnerin vielleicht zweimal in der Woche für einen Spaziergang oder eine gewisse Betreuung abgeben können. Viele dieser Dienste sind momentan auf Eis gelegt. Zudem sind im Ehrenamt unzählige Freiwillige pensioniert und gehören oftmals selbst zur Risikogruppe. Die größte Herausforderung ist deshalb dieses ständige Aufeinandersitzen.
Ist jemand sehr stark erkrankt, versteht er das Problem gar nicht. Ich habe aber vor allem mit Menschen zu tun, die zu Hause leben und noch nicht so stark betroffen sind. Ihre Angehörigen erzählen mir, sie müssten dieselben Fragen zum neuen Alltagablauf, beispielsweise, wenn es um Sicherheitsmaßnahmen geht, 100-mal am Tag beantworten.

Wie besorgniserregend ist ihre Situation?

Ulrich Seitz: Die Situation ist besorgniserregend. Mir erzählen ganz viele Angehörige, dass sie in den vergangenen Wochen irgendwann einmal ausgeflippt sind, die Tür geknallt oder ausgerufen haben. Wenn man gar nie Abstand voneinander hat, kann man schon einmal explodieren. Vor dem Lockdown konnten sie ihre Partner einen Moment allein zu Hause lassen und an die frische Luft gehen oder Freunde auf einen Kaffee treffen. Dieser Ausgleich und Austausch fehlen jetzt. Gewalt und Konflikte sind derzeit sicher ein größeres Thema. Weil dieses Verhalten mit sehr viel Scham besetzt ist, gehe ich von einer riesigen Dunkelziffer aus. Ich vermute, dieses Phänomen dringt erst an die Oberfläche, wenn sich die Situation um das Virus wirklich entspannt hat.

Wie viele Menschen leiden in Südtirol aktuell an Demenz? Wie viele davon werden zu Hause betreut?

Ulrich Seitz: Leider haben der Sanitätsbetrieb und die Landesabteilung Gesundheit noch immer nicht einen Landes-Demenzplan verabschiedet, so wie dies eigentlich im Landesgesundheitsplan 2017-2020, mit entsprechendem Beschluss der Landesregierung vorgesehen ist. Wir sind darüber als Alzheimervereinigung sehr enttäuscht. Deshalb mussten wir selbst eine Art „Beobachtungsstelle“ einrichten, und gehen von rund 13.000 Südtirolern aus, die von Demenz oder Demenz ähnlichen Pathologien betroffen. Rund 75-80% aller Betroffenen werden über Jahre zu Hause gepflegt. Die durchschnittliche Pflegezeit liegt zwischen 5-7 Jahren.

Wie geht es jenen Alzheimerpatienten, die in Seniorenheimen oder anderen Einrichtungen untergebracht sind?

Ulrich Seitz: Hier erlaube ich mir als ehrenamtlicher Präsident der Alzheimervereinigung und ebenso als Präsident des Seniorenwohnheims „Pilsenhof“ in Terlan, Stellung zu beziehen. Viele Betroffene sind völlig verwirrt und erschrocken. Hoch Betagte fühlen sich in die Kriegszeiten zurückversetzt. Sie sehen MitarbeiterInnen, die seit Monaten mit Masken und Schutzanzügen bekleidet sind und haben keinen Kontakt mit ihren Familien. Es ist äußerst belastend, da auch kaum fachärztliche Leistungen in Südtirol,

Ich zitiere Sie: Derzeit warten in Südtirol rund 4000 Menschen, die an Demenz leiden, auf einen Arzttermin. Eine dramatische Bilanz. Was muss hier passieren?

Ulrich Seitz: Bereits vor dem Lockdown mussten Frau und Mann in Südtirol auf eine geriatrische Erstvisite zwischen 6 und 8 Monate warten. Für uns ein untragbarer Zustand. Dazu kommt, dass die Demenz in Südtirol, eine Pathologie darstellt, die anscheinend hauptsächlich von Geriatern, von denen es zudem noch wenige gibt, versorgt werden. Die Ausnahmesituation in den letzten Monaten zeigt, dass es aber nun unnütz ist, Schuldzuweisungen vom Sanitätsbetrieb an die Seniorenwohnheime oder umgekehrt, zu machen, vielmehr besorgt es mich als Präsident der Alzheimervereinigung, dass es in Südtirol ein Ding der Unmöglichkeit scheint, dass Demenzkranke Abteilungsübergreifend behandelt werden. Es ist kein Zusammenspiel zwischen Geriatrie, Neurologie, Physische Rehabilitation, Psychologischer Dienst, Psychiatrie im Krankenhaus vorhanden, und in der Folge auch nicht mit den sozialen Trägern. Ein weiteres Problem besteht im Vormerksystem für Arztvisiten. Viele Personen sind seit Monaten für Arzttermine in der Liste, mit teils überholten Verschreibungen, nicht mehr überwachten Therapieplänen sowie zusätzlichen Schwierigkeiten, die weder der Allgemeinmedizin noch den Spezialisten, bekannt sind. Erstaunlich ist ebenso, dass es Menschen gelingt, sich für die ein und dieselbe Visite in mehreren öffentlichen Krankenhäusern vorzumerken. Das führt dann verständlich zu weiteren organisatorischen Problemen. Während die vertragsgebunden Privatmedizin in vielen anderen Bereichen einen gewissen Druck abnimmt, fehlt hierzu ein landesweites Konzept. Wir machen uns noch zudem große Sorgen, um den Ärztenachwuchs. Es sind uns kaum Südtiroler bekannt, die in den nächsten Jahren in die zitierten Fachgebiete mit Spezialisierung Demenzerkrankungen einsteigen. Ein immenses Ärgernis bleibt, dass programmierte Visiten immer wieder trotz klarer Vorgaben der Landesregierung nicht von den zuständigen Fachabteilungen vergeben werden, sondern immer wieder andere aufwändige, teils sinnlose Kanäle notwendig sind, was sehr schade ist.

Wie hat die Vereinigung auf die anhaltende Notlage reagiert?

Ulrich Seitz: Wir haben sehr intensiv in diesen Monaten an neuen Betreuungsangeboten gearbeitet. Ich möchte in diesem Zusammenhang erinnern, dass unsere Grüne Nummer nun seit März 7 Tage in der Woche jeweils von 7 Uhr bis 22 Uhr aktiv ist, auch weil wir unsere Bürotätigkeit einschränken mussten, und am Sitz erst wieder seit Kurzem Interessierte, begrüßen dürfen. Die Grüne Nummer ist jedoch die Garantie, dass uns kein Hilferuf entgeht und wir umgehend antworten können. Wichtig war für uns in der Vereinigung den psychologischen Betreuungsdienst, gerade für betroffene Familienangehörige auszubauen, die Corona-Pandemie unter dem Gesichtspunkt des Verlustes eines lieben Menschen und zudem Trauer zu thematisieren. Dazu gibt es spezifische Hilfestellungen. Ganz wichtig sind aber ebenso die Screenings, wo wir uns mit Fachleuten am Vereinssitz, komplizierte Verdachtsfälle anschauen, und überprüfen ob eine Demenz oder bipolare Störungsbilder vorliegen. Stolz sind wir schließlich darauf, dass wir nun endlich neben Bozen, Meran, Klausen, dem Vinschgau und Passeier, auch regelmäßige Beratungsdienste in Brixen sowie Sterzing gewährleisten können. Unsere Freiwilligen aus Klausen sind zudem Expertinnen in der Validation und können Hausbesuche vornehmen, was in besonderen Situationen eine große Erleichterung für Familien bedeuten kann. Herzensangelegenheiten bleiben die Schwerpunkte „Lebensqualität zu Hause“, wo wir Beratungen unterschiedlicher Natur ermöglichen oder des Weiteren die Weiterbildungen/Workshops für Pflegende und ausländische Hilfskräfte, die wir regelmäßig umsetzen.

Und worauf müssen die betroffenen Familien jetzt besonders achten?

Ulrich Seitz: Die Angehörigen sind dauernd hinter ihren Partnern her: «Du musst die Hände waschen!» Diese fragen dann verblüfft: «Wieso? Sie sind doch gar nicht schmutzig.» Viele verstehen auch nicht, wieso die Enkelin oder die Tochter nicht mehr zu Besuch kommt. Dieses Unverständnis führt oft auch zu Konflikten.
Deshalb folgende konkrete Tipps:
Die Phase 2 bringt nun verschiedene Änderungen mit sich, die das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität beeinträchtigen können, wenn sie nicht rasch und sorgfältig angegangen werden. Deshalb ist es wichtig, die älteren Menschen und ihre Angehörigen in dieser Phase der schrittweisen Öffnung zu unterstützen und sie bei der fortschreitenden Wiederaufnahme zu begleiten, um Befürchtungen und Ängste abzubauen.
Ältere Menschen sollten sich auf positive Themen konzentrieren können, die nicht mit den unangenehmen Ereignissen um den Virus zusammenhängen (wie die Zunahme der Ansteckungen, der Todesopfer usw.) und dabei unterstützt werden, zur alltäglichen Routine und zu den Interessen zurück zu finden, denen sie noch nachgehen können. Außerdem ist es von grundlegender Bedeutung, ihnen zu helfen, korrekte Verhaltensweisen zum Schutz der eigenen Gesundheit einzuhalten.
Zudem kann es nützlich sein, die Senioren zu Tätigkeiten anzuregen, die ihnen sonst immer mehr abhanden kämen; dazu ist ihnen entsprechende Zeit zu widmen, damit sie sich selbst nützlich und wichtig fühlen können.
Auch das Thema der Trauer und des Lebensendes verdient einen Hinweis, ein Anliegen, das die Senioren oft äußern und das gerade in dieser Zeit der Unsicherheit und Instabilität wieder auftauchen könnte. Ältere Menschen haben nämlich das Bedürfnis, von ihrer eigenen Auffassung vom Leben und seinem Ende zu sprechen, um dessen Ablauf aufzuarbeiten und den früheren oder vor kurzem erlebten Verlusten eine Bedeutung zu verleihen. Angehörigen kann es Schwierigkeiten bereiten, solche Themen mit den eigenen Lieben anzugehen, aber eine offene, dialogbereite, aufgeschlossene Haltung des Zuhörens kann ihnen dabei behilflich sein.

 

Für Notfälle
Alzheimervereinigung ASAA
Grüne Nummer 800 660 561

info@asaa.it
täglich 7 bis 22 Uhr

Corona und Demenz: Wenn Einsicht fehlt und der Zorn Tag für Tag wächst

Ulrich Seitz, Präsident der Alzheimervereinigung Südtirol ASAA schlägt Alarm: nach monatelangem Lockdown mit erheblichen Problemen für die gesamte Bevölkerung, ergeben sich nun in der Phase 2, noch weitere Schwierigkeiten im praktischen Alltag für die zahlreichen Familienangehörigen, die zuhause Menschen mit einer kognitiven Einschränkung bzw. schwerer chronischer Vergesslichkeit pflegen müssen. Konkrete Beispiele aus den täglichen Anrufen der letzten Tage über die Grüne Nummer der Vereinigung 800660561, die sich ständig wiederholen, sind dabei:

Eine Ehefrau möchte ihren an Demenz erkrankten Mann aus Angst vor Ansteckung am Einkaufen und Spazierengehen hindern. Darauf reagiert er mit Unruhe und wachsender Feindseligkeit. Seine Frau weiß sich der inzwischen oft auch handfesten Angriffe nicht mehr zu erwehren.

Eine an Demenz erkrankte Frau weigert sich, nach dem Spaziergang die Hände zu waschen, da sie ja nichts angefasst habe. Hinweise auf Aufzugknöpfe und Türklinken kann sie nicht nachvollziehen. Der Ehemann fürchtet nun um die Gesundheit beider. Ein im Pflegeheim lebender Vater wird nach Monaten ohne Besuch immer unruhiger, sucht seine Frau und nach Auswegen aus dem Heim. Er läuft in andere Zimmer und ruft panisch um Hilfe. Die Pflegekräfte vor Ort, wissen sich keinen Rat mehr.

In den Gesprächen mit Angehörigen, die sich an das Beratungstelefon der ASAA wenden, erfahren wir immer wieder, so Ulrich Seitz, wie belastend die aktuelle Situation für Angehörige von Menschen mit Demenz ist, gerade jetzt in der Phase 2, der allmählichen Lockerung ist. Nachdem die Beschränkungen nun schon seit Monaten bestehen, melden sich vermehrt Familien, die mit den zunehmend heftigeren Reaktionen von Menschen mit Demenz auf die Regelungen, Einschränkungen und Veränderungen nicht mehr zurechtkommen. Zuhause sind sie oft alleiniges Ziel für Ärger, Anschuldigungen und Angriffe. Aus diesem Grunde haben wir nun auch intern in der Vereinigung eine Art „Task-Force“ in der Selbsthilfe aufgebaut, denn die Situationen, die uns geschildert werden, sind zum Teil besorgniserregend. Und immer wieder gibt es ebenso Indizien in Richtung „häusliche Gewalt“. Wie können nun Angehörige auf zunehmenden Zorn oder sogar körperliche Übergriffe reagieren bzw. sie möglichst im Vorfeld verhindern? Das ist eine grundlegende Frage in Zeiten, wo viele öffentliche Dienste nicht angeboten werden, Kurzzeitpflege in Südtirol auf Eis gelegt ist, Essen auf Rädern auf Sparflamme funktioniert, die Wartezeiten für fachärztliche Leistungen im Gesundheitswesen einen absoluten Negativrekord verzeichnen und Menschen seit Monaten für sie unverzichtbare Untersuchungen einfach nicht mehr erhalten. Nach einer internen Recherche der ASAA, warten derzeit fast 4.000 Menschen, die an Demenz leiden, in unserem Land auf einen Krankenhaus-Temin in verschiedensten Fachbereichen (Geriatrie, Neurologie, Psychologischer Dienst, Rehabilitation, Medizin, Rechtsmedizin oder im Sozialen beim Dienst für Pflegeeinstufung).

Das Erschreckende dabei ist, dass hier vielfach Verschreibungen vorliegen, die mehr als 6 Monate alt und kaum mehr aktuell sind, da sich der Gesundheitszustand dieser Menschen ja auch verändert, so Ulrich Seitz. Eine untragbare Situation, die viele Fragen bei den Betroffenen aufwirft.

Damit man den Gegebenheiten in irgendeiner Form Herr wird, gilt es, trotz aller Belastungen, in der häuslichen Pflege, Wut und Aggression zu verstehen. Menschen mit Demenz sind mehr als andere auf Ruhe und Gleichmaß in ihrem Alltag angewiesen. Die Vertrautheit mit den tagtäglichen Abläufen gibt ihnen Sicherheit. Die derzeitigen tiefgreifenden Veränderungen belasten sie deshalb umso mehr, je länger sie andauern:

  • feste Termine und regelmäßige Besuche fehlem;
  • Rituale und Gewohnheiten müssen entfallen;
  • der Bewegungsspielraum ist erheblich eingeschränkt;
  • dabei ist die Gefahr durch ein unsichtbares Virus ist nicht nachvollziehbar
  • Anordnungen wie Abstandsregel, Hygienevorschriften, Besuchsverbot sind unverständlich;
  • es herrscht allgemeine Unruhe und Unsicherheit Menschen mit Demenz spüren die Anspannungen um sie herum, verstehen aber die Gründe für die Veränderungen nicht. In der Folge wachsen innere Spannung, Unbehagen und Unsicherheit. Diese äußern sich unter Umständen in aufbrausendem Verhalten, in Ärger und Anschuldigungen oder sogar in Tätlichkeiten.

Es ist deshalb einfacher, Konflikte zu vermeiden, als sie beizulegen. Dazu kann die Gestaltung des Alltags ebenso beitragen wie das eigene Verhalten. Gerade jetzt ist es wichtig, dass die Angehörigen möglichst klare und ruhige Abläufe und Rituale schaffen:

Des Weiteren plädiert ASAA für ausreichend Bewegung und Beschäftigung zu sorgen, und dabei die vorhandenen Fähigkeiten berücksichtigen, um Frustration und Ärger zu vermeiden.

Es gilt zudem das Selbstwertgefühl zu stärken und unbedingt die Situationen, die regelmäßig für Ärger sorgen, möglichst zu vermeiden oder versuchen, von ihnen abzulenken. Unverzichtbar für Familien, die keinen Halt von den öffentlichen Diensten erhalten, ist es, sich zumindest an die Selbsthilfe zu wenden, um die eigenen Sorgen mit anderen zu besprechen und nicht nur zuhause zu thematisieren.

Und noch etwas: die Belastungsgrenze ist nicht nur eine Thematik, die in der Kinderbetreuung evident erscheint, sondern gerade auch bei der Assistenz eines Kranken in den eigenen 4 Wänden: Mann und Frau müssen hierbei erkennen, wann die eigene Belastungsgrenze erreicht ist und man deshalb selbst nicht mehr ruhig agiert und reagiert, betont Ulrich Seitz.

 

Artikel aus der Dolomiten vom 18.05.2020

Der gesellschaftliche Shutdown hat nicht nur wirtschaftliche Folgen, sondern für Schwererkrankte, wie beispielsweise Demenz-Patienten immense gesundheitliche Folgen, mit erheblichen Kollateralschäden auch für den unmittelbaren familiären Kontext, so die Alzheimervereinigung Südtirol ASAA.

Urich Seitz, der Präsident der Vereinigung reagiert auf das bisher Erlebte in dem seit Ende Februar 2020 stark erweiterten Beratungsangebot in der Selbsthilfe, um Menschen die an Demenz leiden, sowie deren Familienangehörigen, die zahlreiche Probleme wegen eingestellter Dienste des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie im Sozialwesen während des totalen Lockdown, bekundeten, weiterhin zur Seite zu stehen. Nun gilt es die „Phase 2“, nicht nur in der Wirtschaft und im normalen „Leben“ in Angriff zu nehmen, sondern auch bei den Tausenden von Betroffenen in Südtirol, die daheim pflegen. Es gilt den Alltag wieder hochzufahren, mit ganz spezifischen Angeboten, die flankierend zu den klinischen Leistungen greifen müssen. Vor allem geht es um psychologischen Support der Pflegenden, Tipps für die Betreuung vor Ort und gezielte Hausbesuche, gerade dort wo die Gefahr besteht, dass die Situation aus dem Ruder läuft.

Unsere psychologischen Berater, Dr. Alice Panicciari und Dr. Michele Piccolin, haben dazu ein wichtiges Paket geschnürt und werden uns mit anderen Fachleuten hierbei begleiten, so Ulrich Seitz.

Die Kampagne #wirgemeinsam: Langsam zurück zur Normalität
(Hier nur Kampagne)

Die Sicherheitsbestimmungen, die die Regierung in der Zeit des nationalen Notstands erlassen hat, um die Ansteckungszahlen zum Schutz der Bevölkerung zu reduzieren, waren wichtig und notwendig. Allerdings haben die streng auf die wichtigsten Fälle reduzierten Ausgangsbeschränkungen unvermeidlich einige empfindliche Kategorien wie die Senioren ganz besonders isoliert.

Während der Covid-19-Sperre waren die Senioren und ihre Betreuer/innen gezwungen, mit einigen kritischen Situationen fertig zu werden: So war es schwierig, Hilfe von Vertrauenspersonen oder Pflegekräften zu bekommen, um den Senioren eine gewisse Autonomie zu garantieren, aber auch Angehörige konnten ihren Eltern kaum Hilfe zukommen lassen und sie nicht einmal besuchen. Das hat bei vielen Senioren zu einem ausgeprägten Gefühl der Einsamkeit und des Verlassenseins geführt, was wiederum Sorgen und Ängste anwachsen ließ.

Die Phase 2 bringt nun verschiedene Änderungen mit sich, die das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität beeinträchtigen können, wenn sie nicht rasch und sorgfältig angegangen werden. Deshalb ist es wichtig, die älteren Menschen und ihre Angehörigen in dieser Phase der schrittweisen Öffnung zu unterstützen und sie bei der fortschreitenden Wiederaufnahme zu begleiten, um Befürchtungen und Ängste abzubauen.

Ältere Menschen sollten sich auf positive Themen konzentrieren können, die nicht mit den unangenehmen Ereignissen um den Virus zusammenhängen (wie die Zunahme der Ansteckungen, der Todesopfer usw.) und dabei unterstützt werden, zur alltäglichen Routine und zu den Interessen zurück zu finden, denen sie noch nachgehen können. Außerdem ist es von grundlegender Bedeutung, ihnen zu helfen, korrekte Verhaltensweisen zum Schutz der eigenen Gesundheit einzuhalten.

Zudem kann es nützlich sein, die Senioren zu Tätigkeiten anzuregen, die ihnen sonst immer mehr abhanden kämen; dazu ist ihnen entsprechende Zeit zu widmen, damit sie sich selbst nützlich und wichtig fühlen können.

Auch das Thema der Trauer und des Lebensendes verdient einen Hinweis, ein Anliegen, das die Senioren oft äußern und das gerade in dieser Zeit der Unsicherheit und Instabilität wiederauftauchen könnte. Ältere Menschen haben nämlich das Bedürfnis, von ihrer eigenen Auffassung vom Leben und seinem Ende zu sprechen, um dessen Ablauf aufzuarbeiten und den früheren oder vor Kurzem erlebten Verlusten eine Bedeutung zu verleihen. Angehörigen kann es Schwierigkeiten bereiten, solche Themen mit den eigenen Lieben anzugehen, aber eine offene, dialogbereite, aufgeschlossene Haltung des Zuhörens kann ihnen dabei behilflich sein.

Aufgrund dieser Überlegungen hat die Vereinigung Alzheimer Südtirol Alto Adige ASAA, die seit jeher die Belange der kranken Senioren und ihrer pflegenden Angehörigen vertritt, die Kampagne #wir gemeinsam ins Leben gerufen, um den bedürftigen Senioren und ihren Betreuer/innen Dienste anzubieten, die eigens für sie konzipiert und bewährten Experten anvertraut wurden, und um ihnen ihr Lächeln zurückzugeben.

„Tipps für den Alltag“ von den Kollegen des Demenzfreundlichen Vinschgaus

 

Die vorliegende Information soll Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen (Menschen mit Demenz)und deren Angehörigen Hilfestellungen zur Alltagsbewältigung aufzeigen. Menschen mit Demenz und ihre Bezugspersonen sind vielfach mit neuen, manchmal auch belastenden Situationen im Alltag konfrontiert und reagieren oft sehr unterschiedlich auf Verhaltensweisen und Angebote.

Es ist wichtig zu beobachten, was gut angenommen wird bzw. zur Entspannung beiträgt und welche Abneigungen bzw. Auslöser für herausforderndes Verhalten sind. Für alltägliche Situationen haben wir einige allgemeingültige Tipps und Empfehlungen zusammengefasst, die helfen, den Alltag zuhause zu erleichtern.

Hier ein Dokument zum Herunterladen:

Demenz – Tips für den Alltag 08.05.2020

 

Weitere Infos hier:

Bericht im vinschgerwind

Dolomiten-Artikel vom 23.04.2020

Hier der Artikel zum Herunterladen: alzheimerdolomitenartikel2304

Im Bild: von links nach rechts: Alex Podini und Ulrich Seitz

Menschen mit einer Demenz sind in der Regel im fortgeschrittenen Alter und oft von zusätzlichen Erkrankungen betroffen. Sie gehören damit zu der Gruppe, die durch Covid-19 am stärksten gefährdet sind. Rund zwei Drittel der Demenzerkrankten in unserem Lande werden zu Hause von Angehörigen gepflegt, zum Teil mit Unterstützung durch einen Pflegedienst oder Tagespflege. Fast alle Tagespflegeeinrichtungen sind aber mittlerweile geschlossen und selbst ambulante Pflegedienste schränken aufgrund von Personalengpässen ihre Dienste sehr stark ein.

Die Pflege älterer Menschen mit Demenz ist schon in normalen Zeiten eine Herausforderung, erst recht jetzt, in Zeiten der Corona-Krise. Diese Menschen sind auf besonders enge Beziehungen mit ihren PflegerInnen angewiesen. Was bedeutet es, wenn auf der einen Seite die bisherigen Kontakte, vor allem durch die eigene Familie wegen der Sicherheitsvorkehrungen ausbleiben? Oder auf der anderen Seite der „Shutdown“ wegen Corona  gerade pflegende Angehörige vor noch größere Herausforderungen wie bisher stellt? Viele Betreuungs- und Pflegeangebote sind effektiv in Südtirol innerhalb kürzester Zeit weggebrochen und stellen somit Berufstätige vor immense Probleme.  Die bereits seit 2017 aktivierte Grüne Nummer der Alzheimervereinigung Südtirol 800660561 wurde deshalb in den letzten 6 Wochen regelrecht „bombardiert“, und besorgte, überforderte Töchter und Söhne klagten uns ihr Leid, so die Vereinigung. Wir behandeln nun pro Tag rund 20 Fälle aus ganz Südtirol, und das auch am Wochenende, jeweils von 7 Uhr bis 22 Uhr, so betont der Präsident Ulrich Seitz. In diesem Zusammenhang bedarf es oft schneller Entscheidungen. Diese völlig veränderte Situation stellt auch das ehrenamtliche Engagement in der Selbsthilfe vor völlig neue Herausforderungen. Wir müssen zeitnah reagieren, so Seitz, beispielsweise beim Ausfall von ausländischen Hilfskräften, die oftmals schlagartig, nach Ausbruch der Corona-Epidemie, Südtirol in Scharen verlassen haben, oder bei eskalierenden heiklen Ereignissen in der Betreuung zuhause, nicht zuletzt weil Arbeitnehmer ihre Auszeit vom Beruf ganz anders im Hinblick auf die Pflege der Angehörigen organisieren. Homeoffice und Pflege unter einen Hut zu bringen ist für zahlreiche Betroffene ein sehr schwieriges Unterfangen. Deshalb hat die ASAA Alzheimervereinigung Südtirol ein Paket an praktischen Tipps zusammengestellt, um den pflegerischen Aspekt vor Ort zu erleichtern. Ein erhebliches Problem, das zudem  seit  Ausbruch der Pandemie dazukommt, ist wie man das Infektionsrisiko senkt.  Pflegebedürftige und ältere Menschen sind wie wir wissen, so Seitz, besonders durch das neuartige Virus gefährdet. Angehörige sollten deshalb penibel auf Hygiene achten, die Niesetikette beachten und häufig und gründlich mit Seife Händewaschen. Handtücher und Besteck sollten nicht geteilt werden. Verzichten Sie auf Umarmungen – auch wenn es schwerfällt, lautet der Slogan. Aber wie sich herausstellt, ist das alles leichter gesagt als umgesetzt, und gerade diesbezüglich greift unsere Beratung durch erfahrene Freiwillige, die selbst in der Pflege zuhause tätig sind und ganz konkrete Hilfestellungen geben können. Außerdem sei es gut, demenzkranken Menschen sinnvolle Aufgaben zu geben. „Zum Beispiel beim Kochen helfen, Kartoffeln schälen oder sich  miteinander auch in den vier Wänden zu bewegen oderzu  singen.“ Rituale geben Halt und Orientierung – etwa vor dem Essen zu beten. Die Alzheimervereinigung empfiehlt außerdem, gerade dort wo es gesundheitlich noch geht, ungewöhnliche Wege zu beschreiten, Gehirnjogging oder Gesellschaftsspiele zu organisieren, und eben Beschäftigungen verschiedenster Art anzudenken, bei denen die Kranken gefordert werden. Und noch was, verhindern Sie den „Supergau“: „Auch wenn Sie jetzt gerade viel um die Ohren haben – planen Sie zumindest einmal am Tag etwas Schönes für sich ein. Nutzen Sie dafür bewusst die Ruhezeiten der pflegebedürftigen Person – aber nicht, um Hausarbeiten zu machen. „Stärken Sie sich selbst, schauen Sie, dass Sie bei Kräften bleiben, nutzen Sie Kontakte zu anderen“, das ist der Aufruf den die Alzheimervereinigung an die Pflegenden richtet. Ein spezielles Dankeschön in diesen für alle schwierigen Zeiten geht an den Unternehmer Alex Podini, der über die „Podini Holding“, als Schirmherr der Alzheimer-Vereinigung fungiert. Für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit die Vereinigung, ebenso finanziell zu unterstützen, damit gerade dort wo sich ein absoluter Engpass ergibt, umgehend Beratungsangebote und kleinere, aber effiziente Hilfen lanciert werden. Wir alle hoffen, dass sich die Lage wieder entspannt, denn mit unzähligen Menschen in der Lohnausgleichskasse bzw. Familien, die vom Verlust des Arbeitsplatzes bedroht sind und zudem die Pflege zuhause schultern sollen, gilt es bald Lösungen zu finden, damit uns da nicht etwas total entgleitet, unterstreichen Podini und Seitz.

 

 

Dolomiten-Ausgabe vom 23.04.2020

Wichtige Informationen zur Handhabe betreffend die Pflegeeinstufung und die bereitgestellten Dienstgutscheine für Betroffene während der Corona-Epidemie

Hier der Artikel zum Herunterladen: pflegezuhausecorona

Tipps für die häusliche Betreuung von Demenzpatient*innen

Pflegen_haeuslicher_Isolation

Barbara Plagg, Wissenschaftlerin am „Institut für Allgemeinmedizin“ in Bozen. Mitglied im Fachbeirat bei ASAA

An Tagen wie diesen ist die Unsicherheit und die Belastung oft groß — und gerade dann fallen die Selbsthilfegruppe und die ehrenamtlichen Entlastungsangebote aus, Besuch darf nicht kommen und der Gang zum Arzt ist nicht oder nur sehr schwer möglich. Pflegen ist stets eine große Herausforderung, aber in „Quarantäne“ noch viel mehr. Im Folgenden finden Sie ein paar Tipps für die häusliche Pflege in Corona-Zeiten.

https://www.barfuss.it/tipp/2020/03/16/pflegen-in-der-pandemie

 

Schauen Sie auf sich und halten Sie durch!

  • Sofern die Person mit Demenz es noch verstehen kann, erklären Sie ihm/ihr die veränderte Situation in einfachen Worten und kurzen Sätzen. Vielleicht können Sie Ihre Informationen mit Bildern (z.B. von leeren Städten, aber keine angsteinflößenden Stock-Fotos von Intensivbetten oder Menschen in Schutzanzügen) untermalen. Sie können sich ans Fenster oder auf den Balkon stellen und erklären, warum keine Menschen auf den Straßen sind. Und bleiben Sie geduldig – das werden Sie häufig wiederholen müssen.
  • Mit mittlerer bis fortgeschrittener Demenz ist es dem/der Betroffenen nicht mehr möglich zu begreifen, was ein Virus bedeutet oder warum eine Quarantäne sinnvoll ist. Auch wenn die Person mit Demenz nicht mehr versteht, was in der Welt gerade vor sich geht, bekommt sie Ihre Unsicherheit und Angst doch mit. Versuchen Sie deshalb, selbst ruhig zu bleiben. Vermeiden Sie Informationen aus unklaren oder nicht bestätigten Quellen und negative Stimmungsmache im Netz. Halten Sie sich von reißerischen Medien und Spekulationen über worst-case-Szenarien fern – diese machen nur Sorgen und tragen nicht zur Bewältigung der Krise bei.
  • Personen mit Demenz gehören aufgrund ihres zumeist fortgeschrittenen Alters und ihrer Grunderkrankung zur Risikogruppe und sollten daher das Haus nicht verlassen und nicht in Kontakt mit anderen Menschen treten.
  • Gehen Sie bitte nicht mit Ihrem Pflegling einkaufen. Wenn Sie Einkäufe erledigen müssen, lassen Sie ihn/sie währenddessen nicht alleine zuhause, sondern bitten Sie um Hilfe: Junge Familienmitglieder, hilfsbereite Nachbar*innen oder das Roten Kreuz (erreichbar unter der 0473 320078 von Montag bis Freitag von 9 bis 17) können aushelfen und die Einkäufe vor Ihre Haustür bringen.
  • Lassen Sie sich nicht von fremden Personen, die ungefragt Ihre Einkäufe erledigen wollen, helfen. Geben Sie keinem Fremden Ihr Geld mit. Wenn Sie Zweifel haben, wenden Sie sich per Telefon an Ihre Polizeistelle.
  • Wenn Sie selbst in Kontakt mit anderen Menschen getreten sind, waschen Sie sich bitte die Hände und desinfizieren Sie ggf. Oberflächen, die Sie berührt haben (z.B. Türklinken). Achten Sie insgesamt vermehrt auf Hygienemaßnahmen.
  • Die meisten Menschen mit Demenz können rational nicht mehr begreifen, warum sie beispielsweise nicht aus dem Haus gehen dürfen, weniger Besuch kommt und ihre Bezugsperson (Sie) vielleicht nervöser oder unruhiger ist. Setzen Sie lieber auf Ablenkung und Aktivierung innerhalb der Wohnung: Biographiearbeit mit alten Fotos ist unterhaltsam und positiv bestärkend für alle. Schauen Sie sich gemeinsam alte Fotos an, reden Sie darüber. Alles ist erlaubt, auch „Geschichten“ zu erfinden, wo die Vergesslichkeit keine Erinnerung mehr zulässt.
  • „Kurzaktivierungen“ können Sie auch ohne gekaufte Materialkiste machen: Nehmen Sie eine Zeitschrift, eine Zeitung oder ein Buch und schauen Sie sich gemeinsam die Bilder an (z.B. ein Eis). Die Bilder werden nach Möglichkeit von der Person mit Demenz benannt (oder von Ihnen) und dann sind Assoziationen und freie Geschichten aus dem Leben oder der Fantasie dazu willkommen (z.B. die Erinnerung oder eine Geschichte wie das Eis in Rimini 1985 schmeckte).
  • Vielleicht haben Sie noch einiges an Bastelmaterial zuhause: Bald ist Ostern und es gibt viele Möglichkeiten, die Wohnung für den Frühling und das Osterfest zu dekorieren. Gemeinsames Basteln vertreibt die Zeit, aktiviert geistig und motorisch und bringt schöne Ergebnisse!
  • Gemeinsames Singen und Hören alter CDs, Tanzen, einfache Rätsel und Quizfragen lösen oder bekannte Brett- und Karten-Spiele gemeinsam spielen stimuliert kognitiv, verbindet und vertreibt die Zeit.
  • Wenn Sie den Fernseher einschalten, sollten Sie erschreckende und beängstigende Filme oder Nachrichten vermeiden. Klassiker wie beispielsweise „Sissi – Die junge Kaiserin“ gehen hingegen immer.
  • „Distanti ma uniti“: Bleiben Sie in Kontakt mit der Außenwelt, um Ihre sozialen Kontakte zu erhalten und resilient zu bleiben. Nutzen Sie die neuen Medien wie Whatsapp oder suchen Sie per Telefon den Kontakt und Austausch mit Menschen, die Ihnen gut tun.

Pflegesituationen in Quarantäne können schwierig werden, weil man den ganzen Tag zusammen in der Wohnung verbringen muss. Aggressives Verhalten oder Hyperaktivität (verstärkter Bewegungsdrang) können zur großen Belastung werden.

  • Was Sie bei verstärktem Bewegungsdrang tun können:
    • Entfernen Sie Gegenstände mit Anreizcharakter, die Wohnung zu verlassen (z.B.: Hut oder Schirm).
    • Erweitern Sie die täglichen Aktivitäten (nur innerhalb der Wohnung bzw. des Privatgartens!), erhöhen Sie die Stimulation und wechseln Sie – sofern möglich – ab und zu die Räumlichkeiten. Vertreten Sie sich die Beine innerhalb des möglichen Bewegungsradius’.
    • Schließen Sie den/die Demenzpatient*in in einfache Aktivitäten je nach Möglichkeit mit ein: Hausarbeit, eventuell Gartenarbeit (im Privatgarten), einfache Bürotätigkeiten, handwerkliche Tätigkeiten usw. tun dem Wohlbefinden gut.
    • Vermeiden Sie Überstimulierung (z.B. Geräuschpegel vermindern, Übersichtlichkeit des Raumes verbessern, ausreichend Lichtverhältnisse schaffen).
    • Lenken Sie verbal und non-verbal freundlich ab: Geben Sie Hinweise auf andere Möglichkeiten (z.B. ein Getränk anbieten, auf bekannte Gegenstände hinweisen, eine Geschichte erzählen).
    • Beruhigen Sie Ihren Pflegling durch sanfte Musik, entspannende Maßnahmen, sanfte Berührungen (nicht immer sind Berührungen erwünscht!), rhythmische Bewegungen, angenehme Düfte.
  • Was Sie tun können bei aggressivem Verhalten:
    • Gehen Sie freundlich und ruhig auf die Person mit Demenz zu und achten Sie auf eine ruhige Tonlage. Demenzpatient*innen verstehen zwar oft den Inhalt nicht mehr, hören aber, ob die Intonation freundlich oder schroff ist.
    • Halten Sie Augenkontakt und vermeiden Sie unbedingt Kritik und Diskussionen.
    • Brechen Sie aggressionsauslösende Handlungen ab (z.B.: waschen, Nahrung reichen, an- oder ausziehen) und versuchen Sie notwendige Pflegehandlungen zu einem späteren Zeitpunkt erneut — vielleicht gibt es Momente im Tagesablauf, wo die Person besser „aufgelegt“ ist. Und wenn es gar nicht geht, verzichten Sie einfach mal auf’s Waschen oder Ausziehen. Alles ist erlaubt, was Ihnen und der Person mit Demenz gut tut. Es gibt keine sozialen Normen, die Sie zwingend durchsetzen müssen. Und Zeit haben Sie momentan ja genug!
    • Wenn situative Auslöser für die Hyperaktivität die Ursache sind, wechseln Sie mit dem/der Demenzpatient*in (behutsam) den Raum. Auch wenn der Auslöser für die Aggression — wie in den meisten Fällen — für Sie nicht deutlich ist, ist ein Situationswechsel, sofern möglich, immer ein Versuch wert.
    • Wichtig! Wenn es nicht mehr geht und die Situation eskaliert: Stellen Sie sicher, dass die Person mit Demenz sich nicht verletzen kann und verlassen Sie den Raum. Sagen Sie Ihrem Schützling, dass sie kurz rausgehen, aber nicht weggehen. Atmen Sie durch und nehmen Sie die Pflege- und Interaktionstätigkeit erst wieder auf, sobald Sie sich selbst wieder beruhigt haben.
  • Unter der grünen Nummer der Alzheimer Vereinigung (800-660561) erreichen Sie von 9.00 – 18.00 Uhr Menschen, die Ihnen für Fragen zur Pflege und bei Sorgen zur Verfügung stehen.
  • Die Notrufnummer 112 steht wie immer für alle Notfälle zur Verfügung.
  • Schauen Sie auf sich, achten Sie auf Ihre Energiereserven und tun Sie, was Ihnen gut tut (z.B. Yoga, duschen, Kuchen backen, mit Freund*innen telefonieren etc.). Versuchen Sie, Streit zu vermeiden. Setzen Sie Ihre Energie gut ein: Sie brauchen Ihre Kräfte über den gesamten Zeitraum in häuslicher Isolation.
  • Denken Sie immer daran: Wir wissen noch nicht wann, aber auch diese Situation wird vorübergehen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Halten Sie durch!

Wichtiges Rundschreiben INPS zu den bezahlten Tagen in Freistellung für Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Ausnahmesituation rund um Corona Virus

Datei zum Herunterladen:

Messaggio numero 1416 del 30-03-2020 congedo